
Kassandro |
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Auszug aus "Sterbehilfe für Planeten" |
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Kapitel 11
Hermann Lingg: „Erzittre Welt, ich bin die Pest, Talein und -aus, bergauf und -ab,
*** Die Party ist zu Ende! Das Tal der Ahnungslosen hat ausgespielt. „Dead end“ heißt Sackgasse, wörtlich: „totes Ende“! Individuelle Schicksale lösen sich auf! Der suizidale Marsch der Lemminge findet sein auswegloses Ziel im sichtbar werdenden Kollektivtod. Der Fortschrittsglaube steht vor seinem Bankrott, die Menschheit vor ihrer Niederlage. Ein einziger Gedanke kippt die morschen Denkgebäude! Das Boot, in dem alle sitzen, kentert - durchaus für die Lebensspanne heutiger Generationen vorhersagbar. Mögen äußere Ereignisse gewaltig sein, vielen Menschen bedeuten sie nur Schlußpunkt längst vollzogenen inneren Geschehens, nach dem sich jeder von jedem und allem betrogen fühlt. Gemeinschaftlicher Untergang wird unbewußt billigend in Kauf genommen. Was zum Leben übrigblieb, ist eine Welt, die man Kindern nicht mehr zumuten kann. Zum täglichen Brot werdendes Grauen steht vor der Tür! Zum Verständnis dieser Taktik der „verbrannten Erde“ genügen Grundrechenarten: vergiftete Böden, fehlendes Trinkwasser, mangelnde Nahrung, radioaktive Verseuchung, steigende Meeresspiegel, geplünderte Rohstoffe, wuchernde Müllhalden, aussterbende Tiere, verschwindende Pflanzen, unfaßbarer Terrorismus... Die Qualität von Kulturnationen ist weniger an der Ernte als an der Aussaat erkennbar. Unschwer zu ahnen, welche Früchte demnächst eingefahren werden! *** Im Fortschrittsglauben wurde das uralte Märchen vom neugierigen Kind und freigewordenen Flaschengeist wahr. Wer wollte diesen Spuk ernsthaft kontrollieren, geschweige in eine Flasche zurückpressen? Das Wachstum ist außer Rand und Band geraten, wie ein entfesselter Golem, die durch mystische Buchstabenkombinationen zum Leben erweckte Tonfigur der jüdischen Sage. Keiner mehr findet das bannende Zauberwort! Alles wird unaufhörlich immer besser, einfacher, schöner! Längst überrollen uns die Glücksräder des Fortschritts. Die fortschrittlichste aller Fortschrittsgesellschaften schrieb gar das Grundrecht auf Glück in ihre Verfassung. Statt von Fortuna umringt, scheint sie vom Glück umzingelt! Ihre brummende Glücksmaschine hat nur die hauchdünne Folie kurzfristiger Vorteile im Auge. Der Wachstums-Traum wurde zum Trauma, zum nicht mehr hinterfragbaren Tabu! *** Diese Apokalypse kann ein publikumswirksames, theatralisches Untergangsszenario sein, aber auch ein schleichender, ganz normaler Niedergang, eine abwärts gerichtete Spirale: ein Schritt vor, zwei zurück! Ähnlich wie kleine Kinder nach dem Krieg gerne mit herumliegenden Backsteinen ehemaliger Wohnhäuser ihrer in Ruinen verwandelten Heimatstädte spielten. Am Ende des erschütternden Films „China Syndrom“ liegt der sterbende Held in der Kommandozentrale des Atomkraftwerks. Mit dessen Besetzung versuchte er vergeblich, den Betrieb zu stoppen. Schlimmste Unregelmäßigkeiten während der Bauzeit erfordern die sofortige Stillegung des Kraftwerks. Drohende Einnahmeverluste wiegen dem Management jedoch schwerer als poröse Schweißnähte im Kühlsystem. Der Held wird überwältigt, tödlich getroffen und beschreibt mit letzten Worten das zunächst nur von ihm wahrgenommene „China-Syndrom“, feinste Vibrationen eines unkontrollierbar werdenden Reaktors. Schon spürbar: Der Reaktor Erde geht durch! *** Nach wie vor wird mit Erfolg suggeriert, eines nahen Tages könnte die gesamte Menschheit in Raumschiffe verladen und zu neuen bewohnbaren Planeten befördert werden, die rechtzeitig entdeckt würden. Don Quijote ist wiederauferstanden: Technik und Wissenschaft versuchen Dinge, aus denen eher Schaden als Vorteil entspringt, was nur tollkühnen oder tollen Gemütern zu eigen ist. Windmühlen-Streiter der Neuzeit kämpfen furchtlos an allen Zukunftsfronten. Waghalsigen Führungskräften gebricht es an innerem Schrecken. Abgedriftet in die glitzernde Wahnwelt des Fortschritts, bereiten sich nervenstarke Superirre auf ihre Aufgabe als Konkursverwalter der Zukunft vor. Wer in diesem nur noch matt erleuchteten Jahrhundert nicht den Verstand verliert, besitzt keinen. Wir sehen schon Licht am Ende des Tunnels: Ein Schnellzug, er rast direkt auf uns zu! Selbst tapferste Technokrieger müssen einsehen, daß aller Beton nicht ausreicht, um Sturmfluten zu bändigen, nicht genug Eisen ins Gebirge getrieben werden kann, um ein Abrutschen von Bergflanken zu verhindern, zu wenig Bunker gebaut werden, um Wirbelstürmen zu trotzen, nicht alles Meerwasser entsalzbar ist, um Süßwasser zu produzieren, nicht so viel Polizei aufgeboten werden kann, um vor Anschlägen und Amokläufen zu schützen! Die Bemühungen von Technik und Wissenschaft gleichen dem Befehl des Perserkönigs Xerxes, der das Meer auspeitschen ließ, weil sich Wind und Wellen nicht seinen Wünschen fügten. *** „Weltklimaerwärmung um fünf Grad“, „Amphibien sterben aus“, „Achtzig Prozent Norditaliens unter Wasser“. Schlagzeilen, die niemanden mehr beeindrucken. Jeder hat Anspruch auf Abwechslung, abseits der alten Umwelt-Leier! Besoffen vom Konsum, interessiert wärmeres Klima weit weniger als Abkühlung der Wirtschaft. Niemand, kein Mensch, kein Staat, wäre zu jener Askese bereit, die zur Rettung vor sich selbst nötig wäre. Weder Regierungen noch internationale Organisationen hätten die Macht, diese durchzusetzen. Die Obrigkeit läßt freie Untertanen zwischen wachsendem Ozonloch und sich verdichtendem Smog einpendeln. Schon bescheidene Rettungsversuche nach dem englischen Motto „too little too late (zu wenig zu spät)“ würden die Staatsgewalt hinwegfegen. Die apokalyptischen Weltuntergangs-Visionen der Religionen erfüllen sich! Der ordnende Blick späterer Generationen, so denn jemand überlebt, wird unser Zeitalter in doppelter Hinsicht als finsterstes der Geschichte entlarven: wärmend beklatschte Selbstzerstörung mit Bestnoten für die erfolgreichsten Ressourcenräuber; von Sozialeinrichtungen und Psychiatrie grausamer als je zuvor „gerettete“ Bürger, die nicht Schritt halten können! *** Alle paar Jahre wieder wird das größte Radioteleskop der Welt eingeweiht. „Schwarze Löcher“ am Rande des Universums gilt es zu erkunden. Sonderbar, daß es hierzu riesiger Anlagen bedarf, jede mit einem Durchmesser von 25 Metern. Schwarze Löcher sind mit dem bloßen Auge auszumachen: Im größten sitzen wir selbst! Während wir glauben, immer weiter in die große weite Welt hinauszuschauen, verengt sich unser Blick auf Bildschirmgröße. Das Fernsehmonster häckselt Realität kurz und klein in lustige bunte Punkte. Wirklichkeit wird auf befohlene Größe und Inhalte geschrumpft, wie in der griechischen „Prokrustes“-Sage vom Riesen, der Reisende auf Bettlänge zurechtstutzte oder maßgerecht verlängerte. Wer mittels immer mehr Technik ständig weniger sehen möchte, braucht keinen Cyberhelm aufzusetzen, um die Phantasie auf realitätsfremde Reisen zu schicken. Der Alltag beschränkt sich auf die Abmessungen von PC-Bildschirmen, auf die Junge und Alte, Intelligente und Beschränkte, Reiche und Arme, Vorgesetzte und Untergebene fast ununterbrochen starren. Wie Scheuklappen benutzte Mikroskope und Teleskope lassen nur noch winzige Wahrnehmungen zu, deren Schein lediglich Illusionen nährt, selbst wenn es sich bei den beobachteten Objekten um riesige Planeten handelt. *** Die Reihe erfolgloser Mahner ist lang: J. Bachofen forderte 1861 in „Mutterrecht und Urreligion“, sich wieder mit Tierinstinkt den Forderungen des Körpers, der Umwelt und der Erde anzupassen. Herbert Gruhl, unermüdlicher Streiter für den Rückschritt aus dem Fortschritt, mahnte in Tageszeitungen, was neben täglichem Kaugummikauen wichtig wäre. Engagierte Bücher von Albert Schweitzer, Erich Fromm, Konrad Lorenz, Hoimar von Ditfurth stießen auf hohe Zustimmung einflußreicher Kreise – und bewirkten nichts! Letzterer prophezeite, der Weg aus der globalen Krise würde nicht gegangen, obwohl die Tore offen wären, „groß wie Scheunentore“. *** Ditfurth, Professor der Psychiatrie, hatte recht! Weltweit schrammen Ver-rückte am Scheunentor vorbei. Sie nehmen die Welt nicht wahr, wie sie ist, sondern projizieren technisch-modische Vorstellungen auf sie, versuchen, die Erde nach ihrer Wahnwelt zu modellieren. Was meinen Gegner dazu? „Antipsychiater“ Laing vergleicht in seiner „Phänomenologie der Erfahrung“ Psychose mit folgendem Geschehen: „Aus Sicht eines objektiven Betrachters fliegt eine Flugzeugstaffel ins sichere Verderben. Innere Kräfte zwingen einen der Piloten, vom fehlerhaften Kurs abzuweichen und auf den richtigen einzuschwenken. Die verbleibende Staffel, ohne solches Erleben, bemerkt das Abdriften mit Entsetzen und tut alles, um den Flugzeugführer zu „retten“ und zur Rückkehr auf den „richtigen“ Kurs zu zwingen.“ Längst brodelt es auch im Innern der Retter, an denen tagein tagaus ganz normal gelebter Wahnsinn nicht spurlos vorübergeht. Unter der Haut spüren sie die falsche Richtung ins All, unter Aufgabe innerer Bindungen zu Ahnen, Tier, Pflanze und Erde. Sie wären zu Kursänderungen bereit. An der Bodenstation befehlen jedoch diejenigen, die bei Aufgabe des falschen Kurses am meisten zu verlieren hätten. Je schneller und zielgerichteter geflogen wird, um so weniger registrieren überlastete Bürger, daß die verkehrte Richtung für die ganze Misere verantwortlich ist! Einzelne Piloten fühlen, daß irgendetwas abgrundtief faul ist. Sie würden fündig, fehlte ihnen nicht innerhalb des Rudels der große Überblick. Zu Unrecht verlassen sie sich darauf, daß die Bodenstation, bei der alle Informationen zusammenlaufen, die richtigen Entscheidungen trifft. Wird sie von Blinden geführt oder schläft das Personal? Was wäre, folgten alle Flugzeuge der ersten Maschine, gesteuert von einem automatischen Piloten, bestückt mit einem kranken, kinderlosen Greis, eine heilige Mütze auf dem Kopf? Die Richtung stimmt, denken Beobachter, da er sich nach Eroberung eines neuen Landes für den falschen Kurs immer auf den Rollfeld-Boden wirft und den Beton des Fortschritts küßt. Ohne moralische und ethische Navigation jagt die orientierungslos gewordene Menschheit der rotierenden Richtungsnadel eines Kreiselkompasses hinterher. *** Unbedeutende Alltagsentschlüsse folgen der Regel: vom Einfachen zum Schweren, vom Innern zum Äußern, vom Nahen zum Fernen. Bei wichtigen Menschheitsentscheidungen verhält es sich umgekehrt. Ein Sog hat die Menschheit erfaßt, in besinnungslosem weiter, schneller, höher! Das größenwahnsinnige Großhirn reißt die Erdbevölkerung technokratisch in den Tod. Der Fortschritt gleicht einem Geisterzug auf dem Weg zu den Sternen. Statt Passagier-Waggons sind der Lokomotive unzählige Tender angekoppelt. Zahllose Heizer, sogenannte „Macher“, machen wie befohlen Dampf! Die Lokomotive zieht den Zug nicht mehr, sondern wird von unzähligen Dampfmachern, Forschern, Wissenschaftlern, Entdeckern, Erfindern, Produzenten usw. immer schneller vorwärts getrieben, was in der Eile niemand bemerkt. Die Fahrt ins Nichts geht gut voran! Wer zu schwach ist, Dampf zu machen, oder wen seelisch-psychotische Kräfte aus dem Beschleunigungskader abziehen, ist unnormal, krank oder ver-rückt und wird über Bord geworfen. *** Ein böser Traum, Wahnwahrnehmungen, Halluzinationen? „Im falschen Film“ glauben sich die einen; „sie stünden daneben“, meinen andere. Vielleicht verschwinden die apokalyptischen Reiter nach therapeutisch-analytischer Behandlung? Wir wären schon zufrieden, könnten wir nach fachgerechter psychologischer Beratung alles so normal finden wie andere auch! Auf der Couch erfahren wir, daß unsere Feststellungen auf wahren Begebenheiten beruhen und nur die daraus gezogenen Schlüsse falsch seien. Geheilt schwenken wir in den fatalistischen Verhaltenstrott sogenannter normaler Menschen ein, die mehr herdisch als heroisch in den Untergang trotten. Suizid und Irrsinn berühren einander in oft auffälliger Weise. Der Zusammenhang zwischen schleichendem Kollektiv-Suizid und gemeinschaftlicher Geisteskrankheit ist unübersehbar. Trotz aller Hektik ähneln Standardmenschen ausgegrenzten, in psychiatrischen Anstalten eingesperrten Irren mit dem Krankheitsbild „depressiver Stupor“: Wahnkranke, die nach innen gekehrt teilnahmslos alles über sich ergehen lassen! Das hohe Lebenstempo der Normalität ist stumpfe Flucht vor sich selbst. Wer das Tempo nicht halten kann oder an der Vernunft des Fortschritts zerbricht, wandert ins Irrenhaus, um nach Konsum psychiatrischer Wunderpillen wieder auf Herden‑ und Glückskurs einzuschwenken. Mächtigen Bäumen sieht man ihren wahren Zustand nicht immer an. Manche täuschen und machen glauben, sie seien gesund, obwohl sie von innen her völlig morsch sind. Verzweifelt klammern sie sich nur noch an ihre Ränder, bis sie eines Tages ganz überraschend einstürzen. Auf diese Weise sind wir gut beschrieben, innerlich wie äußerlich! Endlich verstehen wir folgende Anekdote: „Ein Rabbiner begegnet einem eiligen Geschäftsmann. Warum dieser so hetze? Er habe dringende Geschäfte zu besorgen! Nun, meint der Rabbi, woher willst du wissen, daß die Geschäfte, denen du hinterherrennst, sich vor dir befinden; vielleicht sind sie auch hinter dir und du rennst nur vor ihnen davon?“ Unser Rabbi hat recht: Die Geschäfte der Weltwirtschaft treiben uns erbarmungslos vor sich her! *** Die Lust zum Feiern ist uns endgültig vergangen! Wir entfliehen heimlich dem Lärm, den trinkfeste Partygäste am frühen Morgen verbreiten. Am Ausgang lesen wir den weisen Spruch des Hausphilosophen: „Aus is und gar is und schad is, daß wahr is (es ist aus und vorbei und schade ist, daß es wahr ist)!“ Bevor wir einschlafen, wollen wir wissen, wer an der ganzen Scheiße schuld hat. Warum schlägt das Leben angewidert einen großen Bogen um uns? Ein bekannter Physiker-Kalauer besagt, Vorhersagen seien besonders schwierig, wenn sie sich auf die Zukunft bezögen. Mit Analysen ist es genau umgekehrt. Sie sind besonders einfach, sofern sie die Vergangenheit betreffen: Alle sind schuld!
Blätter im Wind Der Mensch ist klug und flexibel! Fähigkeiten, die ihn zur „Nummer Eins“ der höheren Tiere machen. Wir zweifeln nicht, daß er alle Tierkollegen überleben wird, wenn auch nicht lange. Im Grunde seines Herzens bewegt jeden Endzeitstimmung, gerade jene, die sich besonders lärmend und ausgelassen im Totentanz drehen. Dachte man einst vorausschauend, wird heute nichts mehr auf Generationen hin angelegt. Das ist weise, denn längere Organisation lohnt kaum! Umfassend entworfene Lebensperspektiven weichen Planungen für überschaubare Zeiträume, ein paar Wochen oder Monate, ein paar Jahre, solange es eben geht: Liebesbeziehungen, Ehen, Freundschaften, Sportarten, Wohnungen, Vermögensanlagen, Urlaubsorte, Hobbys, Interessen... Vielleicht ist es ökonomisch, wie mit Kindern, Alten, Behinderten, Kranken und Sterbenden umgegangen wird. In extrem arbeitsteiligen Wirtschaftsgemeinschaften sind schon kleinste Störungen Sand im Getriebe des Wirtschaftsmotors, die eine Abschiebung ins Armen- oder Reichenghetto empfehlen, je nach Herkunft und Einkommen. Unsere Lebensgrundlagen erfahren kaum Fürsorge, zu preiswert sind sie geworden! Rechnen wir einmal nach, was bleibt unter dem Strich? Zunächst kalkulieren wir brutto: sieht gut aus! Selbst durch Unfälle im Straßenverkehr verkrüppelte Menschen und demolierte Autos begegnen uns als positive Zahlen des Sozialproduktes. Schließlich müssen Verletzte versorgt und zerstörte Autos neu produziert werden! Netto sind wir beunruhigt: Selbstmorde, Verkehrsopfer, Suchtkranke, Drogentote, Kinderprostituierte, Frührentner, Scheidungs-Waisen, Pflanzen-, Tier- und Menschenseuchen, fallende Grundwasser‑ und steigende Meeresspiegel, verstrahlte Böden, verschmutzte Luft, verseuchte Flüsse... Dem ökonomisch und ökologisch bewerteten Sozialprodukt gesellen wir ein seelisches hinzu: Lebensängste, Neurosen und Psychosen! Schon möglich, daß sich die ganze Welt um Eintrittskarten für reiche Industrienationen schlägt, ein paar Kleinigkeiten werden übersehen: Der Rest der Welt stünde besser da, würde er nicht wirtschaftlich ausgeblutet! Ergänzend werden wehrlose Länder mit Zivilisationskrankheiten und religiösen Bevölkerungsvermehrungs-Programmen beglückt. *** Einfältig sind nicht die, die mit Heimat, Land und Leuten, Tieren und Pflanzen, so verwurzelt sind, daß ihnen Trennung von Begriff und Gegenstand noch unmöglich ist und sie Wahrgenommenes, Gedachtes und Gesprochenes nicht abstrahieren, sondern für ein und dasselbe halten. Wahrhaft primitiv sind nur jene, die mit nichts mehr verwachsen sind, in städtischen Herden zusammengetrieben vegetieren, heute hier, morgen da, von jeder fortschrittlichen Werbe-Brise modisch verweht. Liebe verlangt nach Zukunft! Nachdem nur noch Augenblicke zu verteilen sind, reicht dem modernen Menschen Sex! Wir modellieren vermehrt in Plastik und werden selbst zum blutleeren Ausgangsmaterial: bei einem das Bein, beim andern der Kopf, bei allen das Herz. Aufziehbare Puppen, die sich unentwegt durch Kinder fortpflanzen. Der verschüttete Wunsch nach Identität und Individualität nimmt verzweifelte Formen an. Früher trugen nur Verstorbene Totenmasken, heute trägt man schon zu Lebzeiten leblos übermalte Kosmetikgesichter durch die Welt. Farbenprächtige Frisuren und Kleidung lassen bunte Dschungelpapageien verblassen! In einem letzten Gefecht müssen sich Kraftfahrzeuge aller Art mit furchterregenden Auf‑ und Anbauten wie Spoilern, Kuhfängern etc. zum individuellen Massengeschmack äußern.
Sterben macht gleichSchüttere Ansätze zur Umweltsanierung und zögerliche Abwendung moderner biblischer Plagen lassen einsehen, daß es sinnlos ist, sich brillant fabriziertem Weltekel und weltweiter Suizidalität entgegenzustemmen. Wer tiefes Unbehagen spürt, dem wird geraten, bei sich anzufangen, ein einsam machendes Büßergewand überzustreifen und ins fünfzehnte Jahrhundert auszuwandern. Einzelopfer sind jedoch angesichts verflechteter und abhängiger Märkte zwecklos, im günstigsten Fall ein Feigenblatt, das weitere Umweltzerstörung bedeckt! Wir stülpen allen zur Verfügung stehenden Zynismus nach außen und beteiligen uns nach Kräften am kollektiven Raubbau. Es riecht nach Tod! Im Untergang sind alle gleich, Standesunterschiede stürzen ein. Wenn dieser Planet im Kampf um Wasser, Land, Nahrung und Rohstoffe ruiniert wird, hat jeder den gleichen Anspruch auf Zerstörung. Landrun (Rennen um Land) nannten die Amerikaner die Besetzung des von Indianern geraubten Landes. Die Schnellsten hatten wenig Regeln zu beachten und viel Land zu gewinnen! Wir verkennen nicht, daß eine gleichberechtigte Plünderung der Erde noch an unvollkommenen Gesetzen scheitert und auf strafrechtliche Hindernisse stößt. Zum Glück gibt es eine Verfassung: Alle Menschen sind gleich! Der Run auf verbliebene Bodenschätze ist neuen Regeln zu unterwerfen. Jeder darf sich gleich bedienen und die angenehmen Seiten der Klimakatastrophe genießen. Statt besserwisserisch mit eingesparten Joghurtbechern anzustinken gegen rasende und gasende Autokolonnen, rauchende Schornsteine und strahlende Kraftwerke, geloben wir, Nachbarn künftig keine Schuldgefühle mehr einzureden oder gar deren ozonhaltige Laune zu verderben. Greift zu, Freunde, das Festmahl dauert an! Motto: überfressen oder gefressen werden! Quellen auf einem Festbankett die Tische über, ist es müßig zu sinnieren, wie viele draußen davon satt würden. Wer am schnellsten zugreift, erhält das meiste, selbst wenn Grenznutzen von Körper, Geist und Seele gegen null tendieren. *** Immer wieder entstehen Kulturen, die von Ahnen mit ruinöser Totenverehrung gestraft werden. Begräbnisse haben sie kultisch so aufwendig auszurichten, daß Hinterbliebene wirtschaftlich auf Generationen zahlungsunfähig sind. Das ist nichts gegen die Pracht unserer postmodernen Henkersmahlzeit, die ein Vermögen kostet, das die Menschheit endgültig ruiniert. Optimisten sollten keinesfalls auf Öko-Vorschläge hereinfallen! Diese begünstigen lediglich eine schleichend vor sich gehende Zerstörung, die totalem Umdenken im Wege steht. Im Gegenteil, gute Bürger konsumieren kräftig! Was im Verhältnis einzelner Gültigkeit hat, gilt für die Erde als Ganzes. Die Dritte Welt muß weit üppiger zulangen als bisher! Sie darf genausoviel verbrauchen wie die Industrienationen und ebenso viele Schadstoffe produzieren. Arme Länder können sich gegen die weltweite Zerstörung am wenigsten wehren. Sie subventionieren durch Verzicht lediglich einen verlängerten Global-Suizid. Völkerrecht und internationale Abkommen müssen für Chancengleichheit sorgen! Keine falsche Rührseligkeit, nur weil alles auf Pump, auf Kosten künftiger Generationen, zu Lasten der Tier‑ und Pflanzenwelt vonstatten geht. Für entstehende Schulden wird sowieso kollektiv gehaftet. Wer auf sich hält, ist auf der Aktivseite präsent!
Intelligentes Leben ...?Jedenfalls nicht auf Erden! Der Mensch weiß nicht, daß die Größe eines Lebensraums Anzahl und Ansprüche seiner Bewohner begrenzt. Er dezimiert Wälder, verpestet Atemluft, verseucht Böden, uriniert ins Trinkwasser, verkotet Meere. Einfühlsame Diagnose der Psychologie: zwanghafte, kollektive Verdrängung jeglicher Vernunft mit der Gefahr chronischer Verfestigung! Die Psychologen verkennen völlig, daß dies ursprüngliches Vorhandensein von Verstand voraussetzt. Menschliche Intelligenz bleibt deutlich hinter der der tropischen Raubameise zurück. Diese rennt und frißt gleichfalls alles nieder, kehrt aber erst zurück, wenn sich ein neuer Beutezug lohnt. Vor dem nächsten Angriff erholt sich das geplünderte Gebiet vollständig. Eine der Vorstellungskraft moderner Menschen völlig fremde Verhaltensweise! Nachdem Intelligenz so schmerzlich vermißt wird, diskutiert man seit Jahrhunderten, ob außerhalb der Erde vernunftbegabte Lebewesen existieren. Gut möglich, aber eine Verständigung mit ihnen wird mangels eigener Vernunft kaum gelingen! Wie stellen wir uns Menschen der Zukunft vor? Vielleicht wie die nackten Kannibalen der Terra de Santa Cruz, die nicht einmal die primitivste Stufe der Zivilisation erreicht hatten. Sie wußten weder die Erde zu bebauen noch Vieh zu züchten, sondern lebten von dem, was sie auf Bäumen oder im Wasser fanden und zogen weiter, sobald ein Bezirk abgegrast war. Viel hatten sie nicht gelernt, aber wenigstens nicht das völlig falsche!
Auf den Trichter, in den TrichterDas Stichwort „Trichter-Effekt“ gab dem tragischen Verlauf der Judenverfolgung im Dritten Reich den Namen. Weder Verfolger noch Verfolgte, weder Nazis noch Juden wußten von vornherein, wie und vor allen Dingen wie rasch bei der „Endlösung der Judenfrage“ verfahren würde. Alle Juden, die nicht rechtzeitig das Land verließen, wurden von einer Art Trichter erfaßt. Obwohl noch ziemlich gut in die Bevölkerung integriert, quasi nur einen Schritt von anderen entfernt, wurde es Juden unmöglich dem Sog, der in diesem Trichter nach unten führte, zu entgehen. Kaum jemandem gelang es, quasi nochmals über den Trichterrand zu klettern. Vielmehr beschleunigte sich das Tempo nach unten in zunehmendem Maße, hin bis zum millionenfachen Völkermord. Obgleich die vom Sog erfaßten Juden einander halfen, konnte im Endeffekt keiner etwas für andere tun, da alle gemeinsam und hilflos immer schneller auf die untere Trichteröffnung zusteuerten, in die Vernichtung. Statt auf den Trichter zu kommen, sind wir in einen vergleichbaren Trichter geraten, Opfer einer praktisch unumkehrbaren Entwicklung geworden, aus der es kein Entrinnen gibt. Wer wäre mächtig genug, sie zu stabilisieren, ihr Grenzen zu setzen und verbindliche Regeln aufzustellen? Je weiter wir nach unten geraten, desto schneller wird die Fahrt, wie bei zirkulierendem Wasser, das in die Trichteröffnung gerät. Das Lebenstempo wird unaufhaltsam höher, Lebensgrundlagen werden immer rascher zerstört, alles ändert sich ständig schneller: Erfindungen, Entdeckungen, Waren, Lebensanschauungen, Reiseziele, Verkehrsmittel, Berufe, Lehrpläne, Vorschriften. Neu verkündete Wahrheiten haben gerade noch eine Halbwertzeit von vierzehn Tagen! *** Zur Abwendung der Klimakatastrophe ist die Halbierung des Schadstoffausstosses bis zum Jahre 2010 unverzichtbar, warnt der wissenschaftliche Sachverständige der Bundesregierung und läßt sich in einer bequemen Limousine zur nächsten Sitzung chauffieren. Wir müssen die Umwelt stärker schützen, sagt der Bundeskanzler und gibt bekannt, daß die Senkung der Arbeitslosenzahlen ein Wirtschaftswachstum von jährlich mindestens drei Prozent voraussetzt. Der Wirtschaftsminister plädiert für einen schonenden Umgang mit vorhandenen Reserven und lobt die Bürger für ihr kaufkräftiges Konsumverhalten, das eine Rezession verhindern hilft. Industriell betriebener Ackerbau ist schädlich, mahnt das Umweltministerium und fordert die Rückkehr zu naturnahen Produktionsformen. Der Landwirtschaftsminister erklärt, daß nur Agrarfabriken wirtschaftlich überleben können. Die Schadstoff-Grenzwerte für Milch sind völlig unbedenklich, stellt der Lebensmittelchemiker klar und trinkt fortan Dosenbier. Preiswertes Hormonfleisch aus den USA schade der Verbrauchergesundheit, erklärt der Landwirt und läßt seinen Rindern schleunigst vom Tierarzt „Medikamente“ verschreiben, um durch schnelle Kälberaufzucht wettbewerbsfähig zu bleiben. Deutsche Kernkraftwerke sind sicher, sagt der Vorstand der Atomindustrie und kauft vorsorglich ein Haus auf Teneriffa. So sägt jeder an dem Ast, auf dem er sitzt, um sich mit herabfallenden Sägespänen noch ein paar Jahre über Wasser zu halten. *** Wer sich im Trichter gegen die Fahrtrichtung des Fortschritts stellt, wird zu Recht mit sozialen Sanktionen belegt. Er wird ohnehin mit nach unten gespült und macht sich und andern nur das Leben schwer. Vergeltungsmaßnahmen sind sorgfältig abgestuft: von Wohlstandseinbuße bis zur Verarmung, vom Ansehensverlust bis zur Ächtung! Fortschritt ließ uns weit hinauslehnen, auf unzähligen Gebieten, von der Ernährung bis zur medizinischen Versorgung, von der Geburt bis zum Tod. In diesem modernen Haus glaubte man sich sicher und sperrte sich stattdessen ein. Niemand kann es mehr verlassen, um die Entwicklung umzukehren! *** Wer von Mitmenschen ernst genommen werden will, kann sich den Forderungen des Fortschritts nicht entziehen. Wie in einem Krieg, zu dem wieder einmal zu viele hingegangen sind! Kontaktverlust zur eigenen Truppe ist mindestens so lebensgefährlich wie die Feindberührung selbst. Der Gegner ist nicht minder grausam wie wir! Die Natur rächt sich mit Klimaerwärmung, Stürmen, Überschwemmungen, Erdrutschen, resistenten Schädlingen, Mißernten... Ohne die schweren Geschütze des Fortschritts wären wir längst verloren! Dennoch unterscheidet sich dieser neue „Trichter“ grundlegend von seinem Vorgänger bei der Judenverfolgung: Die Ränder bilden nicht Nationalsozialisten oder Dritte, sondern wir selbst! Im Fortschrittsglauben untrennbar zusammenklebend, darf keiner entkommen! Verlöre der ideologische Klebstoff, der sechs Milliarden Menschen zusammenhält, seine Kraft, der Trichter zerbröselte in ebenso viele Teile und der Spuk hätte ein Ende.
Vorwärts, wir müssen zurückAlbatrosse, gewaltige Sturmvögel, Überflieger der Ozeane, verlieren nie die Orientierung. Lachse finden unzählige Flußkilometer zurück zum Geburtsort, Zugvögel machen sich jedes Jahr auf nach Afrika, kehren heim zu ihren Nistplätzen. Woher wissen sie den Weg? Sie kennen ihn! Wir sind viel weiter gereist, ohne zu wissen, wie wir zurückfinden sollen! Wie weit müssen wir zurück? Bis in die Traumzeit der Menschheit?
Jeder nur ein Kreuz...erhalten drängelnde Kreuzigungskandidaten im Kultfilm der englischen Pop-Gruppe Monthy Python „Das Leben des Brian“. Ordnung muß sein! Wenn wir schon versinken, verlangen wir übersichtliche Hinrichtungen. Stop allen Störern und Chaoten beim Bau atomarer Anlagen und sonstiger umweltfreundlicher Großtechnologie! Ausgeklügelte Sicherheitssysteme schützen uns. Die Bevölkerung ist zu keinem Zeitpunkt in Gefahr, gemessen an jeweils geltenden Sicherheitsstandards und Grenzwerten. Diese sind so leicht zu versenken, wie käufliche Wissenschaftler sie auf geduldigem Papier oder gnädigen Bildschirmen dem Zeitgeist angleichen. Vernünftige Menschen beachten Empfehlungen der Sicherheitsbehörden: Sie meiden bei hohen Ozonwerten schwere körperliche Arbeit (wer macht sie dann?), verzichten auf Sonnenbäder (wer erledigt die Feldarbeit?), schließen bei Smog die Fenster (bei Daueralarm für immer?), essen keine Pilze und kein Wild (ab morgen kein Gemüse und kein Obst?)... Wer sich nicht mehr ins Freie wagt, ist auf der sicheren Seite. Jedes Kind weiß das! Wem wäre nicht bekannt, daß die halbe Erde ins Ozonloch fiel und längerer Aufenthalt auf Straßen zu qualvollem Erstickungstod führt. Sanfte Aushöhlung von Elementargütern, schleichender Niedergang der Lebensqualität. Nie ging es Menschen besser (allen?), nie der Umwelt schlechter!
Sprechende Enten, radschlagende MäuseEpcot-Center in Florida, ein Steinwurf von Disney World entfernt: Die Besichtigung ist für Touristen weit lohnender, als rührselig in den benachbarten Everglades mit aussterbenden Alligatoren über austrocknende Sümpfe um die Wette zu weinen. Die im Epcot-Center aufgebaute Miniaturwelt dokumentiert, wie Technik und Wissenschaft die Erde endgültig zu ruinieren beabsichtigen: Naturlichtlose Behausungen, unterirdische Verkehrsmittel, schaurige Unterwasserstädte, gespenstische Weltraumsiedlungen wetteifern um das Grauen der Besucher. Wen nicht blanke Panik packt, ob der Aussicht, in solcher Kunstwelt einmal leben zu müssen, hat es gut getroffen. Wir andern leiden unter dem Alptraum einer bis zur Unkenntlichkeit umgebauten Welt und gönnen uns psychoanalytische Deutungen: Der ganze Aufwand „weg von der Erde“ wird getrieben, um Mutter Erde unversehrt wiederzufinden! Bei allem Respekt vor wissenschaftlichen und technischen Leistungen: Wer sich vom Glanz der Raumfahrt nicht blenden läßt, verwechselt schwerfällig auf dem Mond tapsende Raumfahrer leicht mit Comic-Figuren. Nach dem masochistischen Training im Epcot-Center müssen sich unsere kindlichen Seelen erst einmal erholen, nebenan in Disney-World! Dort erfahren wir vertraulich, daß Donald Duck, Micky Maus und Daniel Düsentrieb schon vor Jahren entflohen sind. Seither arbeiten sie in Forschung und Wissenschaft, Industrie und Technik, vermehren sich freudig und basteln eine kühne neue Welt. Perfekt verkleidet als Forscher, Techniker, Unternehmer, Politiker sind sie kaum auszumachen. Es wird schwer sein, all die sprechenden Enten, radschlagenden Mäuse, durch die Lüfte reitenden Düsentriebs wieder einzufangen und ins Reich moderner Kindermärchen zurück zu verbannen!
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Beabsichtigt ist, nach Lösung der Weltformel die Weltherrschaft zu übernehmen... |
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